Gesamtinhaltsverzeichnis von Zeitschriften der Historischen Gesellschaft für Posen
Um die für die regionalgeschichtliche Forschung interessanten Beiträge, die in den Publikationsorganen unseres Vorgängervereins, der Historischen Gesellschaft für (die Provinz) Posen, veröffentlicht wurden, besser zugänglich zu machen, haben Matthias Barelkowski, Julian Fischer und Christoph Schutte im Auftrag der Kommission dazu ein Gesamtinhaltsverzeichnis erstellt.
Einleitende Bemerkungen zu den Zeitschriften und zum Verzeichnis
von Matthias Barelkowski und Christoph Schutte


Das 19. Jahrhundert war eine Hochzeit für die Beschäftigung mit Geschichte. Es entstanden zahlreiche regionale Geschichtsvereine, zu denen meistens auch eine Zeitschrift gehörte. Dies gilt auch für Posen, wo es jedoch einige Besonderheiten gab. Die Historische Gesellschaft für die Provinz Posen entstand 1885 auf Initiative der dort seit 1869 tätigen Archivare im Preußischen Staatsarchiv, das sich in einer Stadt befand, die bis 1793 zur Rzeczpospolita gehört hatte und mehrheitlich von polnischsprachigen Bewohnerinnen und Bewohnern geprägt war. Die preußischen Archivare mussten also mit dem Widerspruch leben, deutsch-nationalistischen Bestrebungen dienen zu sollen und zu wollen, obwohl die Stadt Posen und die Region Großpolen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nicht zum Hl. Römischen Reich deutscher Nation gehört hatte. Dieser Widerspruch wird in der programmatischen Einleitung, die Archivdirektor Bernhard Endrulat (1828–1886) der ersten Ausgabe der Zeitschrift voranstellte, durchaus benannt:
Die Historische Gesellschaft und ihre Zeitschrift sollte zudem dem konstatierten fehlenden Heimatgefühl vieler deutscher Einwohnerinnen und Einwohner explizit entgegenwirken:
„Man hört so oft von Deutschen in unserer Provinz die Aeußerung, daß sie sich in derselben trotz vieljährigen Aufenthaltes nicht heimisch fühlten. Besonders auch an diese richten wir die Aufforderung, sich an den Bestrebungen unserer Gesellschaft zu betheiligen.“ (ZHGPP 1 (1885), S. 13)
In der Folge erschienen 30 Jahrgänge der Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen, die ab 1900 auch Organ der Historischen Gesellschaft für den Netzedistrikt zu Bromberg war. Ebenfalls seit 1900 erschienen die Historischen Monatsblätter für die Provinz Posen. Diese sollten der wachsenden Zahl an Mitgliedern regelmäßig in aufgelockerter Form kürzere Berichte über interessante Archivalien, aber auch Lebensbilder historischer Persönlichkeiten der Provinz sowie Nachrichten aus der Gesellschaft bieten.
Geprägt wurden beide Zeitschriften vor allem durch zwei Personen: den seit 1887 amtierenden Archivdirektor Rodgero Prümers (1852–1921), der aus dem Münsterland stammte und Freimaurer war, sowie insbesondere durch Adolf Warschauer (1855–1930), einem aus der Provinz Posen stammender Historiker und Staatsarchivar – wohl der erste preußische Archivbeamte jüdischer Konfession. Zumindest Warschauer beherrschte auch Polnisch in Wort und Schrift und kann als spiritus movens der Gesellschaft und ihrer Publikationen bezeichnet werden.
In inhaltlicher Hinsicht waren die Herausgeber intensiv darum bemüht, möglichst viele Bereiche der Regional- und Stadtgeschichte abzudecken. Die Themen reichten von kleineren und größeren Darstellungen einzelner stadtgeschichtlicher Episoden über Münzfunde und Ausgrabungen bis hin zu Abhandlungen über die Geschichte der praktizierten Religionen in der Region. Man war um religiöse Toleranz bemüht und gewann neben evangelischen Pastoren auch katholische Priester und jüdische Rabbiner als regelmäßige Beiträger. Auch zahlreiche Lehrer aus der Provinz steuerten kürzere und längere Artikel bei. Ein Desiderat blieben jedoch Beiträge aus polnischer Feder, was nicht verwundert, war doch eine „Stärkung des Deutschtums“ erklärtes Ziel der Gesellschaft. Die Toleranz hatte also nicht nur in sprachlicher Hinsicht ihre Grenzen.
Trotz gegenteiliger Bemühungen der Gesellschaft wurde Posen nach dem Ersten Weltkrieg wieder Teil des neu begründeten polnischen Staates. Der letzte Band der Zeitschrift erschien 1918 – eine Monografie zur Geschichte der Stadt Gnesen aus der Feder von Adolf Warschauer. Die Historischen Monatsblätter erschienen noch bis 1923, mussten dann jedoch eingestellt werden, da die meisten Mitglieder der Gesellschaft nach Deutschland, insbesondere nach Berlin, abgewandert waren. Auch wurde das Archiv nun als Polnisches Staatsarchiv weitergeführt – dem Verein war somit seine Basis in der bisherigen Form entzogen.



In der nunmehrigen Woiwodschaftshauptstadt Poznań existierte die stark geschrumpfte Gesellschaft jedoch weiter, nun unter dem politisch angepassten Namen Historische Gesellschaft für Posen. Ihre ab 1923 zunächst von dem aus Thorn stammenden Landwirt und Politiker Hermann Rauschning (1887–1982) herausgegebene Zeitschrift trug den Titel Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen und war gleichzeitig Organ des Deutschen Naturwissenschaftlichen Vereins für Großpolen. Die Begrenzung auf eine Region und rein historische Darstellungen war damit aufgehoben. Prägende Kraft wurde in den folgenden Jahren Alfred Lattermann (1894–1945), ein aus Lissa stammender Historiker und Bibliothekar, der die Zeitschrift fast durchgängig bis 1944 prägen sollte und insbesondere einen umfangreichen Rezensionsteil entwickelte. Der erste Beitrag der neuen Zeitschrift stammte, wohl in Anerkennung seiner langjährigen Verdienste um die Gesellschaft, von Warschauer und trug sicher nicht zufällig den Titel „Aus der Geschichte des Nationalitätenkampfes im 15. Jahrhundert“. Finanziert wurden die stark geschrumpfte Gesellschaft und die Zeitschrift vor allem durch versteckte Zuwendungen aus dem Deutschen Reich.
In Berlin erschienen von den nun dort beheimateten „reichsdeutschen Mitgliedern“ noch drei Ausgaben unter dem bescheidenen Titel Mitteilungen, mit kleineren Beiträgen zur Posener Landesgeschichte, aber auch zur Geschichte Polens. Redakteur und wichtigster Beiträger war nun der Kunsthistoriker und ehemalige Provinzialkonservator Julius Kohte (1861–1945), der schon zuvor viel zu den Posener Zeitschriften beigesteuert hatte. Es erschienen jedoch nur drei Hefte (1925, 1927, 1935). Warschauer wirkte anfangs noch mit, war aber körperlich schon stark eingeschränkt und starb 1930 nach langer Krankheit. Ein letzter Aufsatz von ihm erschien posthum 1935 in der letzten Ausgabe der Mitteilungen und trug den Titel „Heinrich von Valois als König von Polen 1574“.
Ein erneuter Umbruch erfolgte 1939 mit der deutschen Besetzung Posens und Polens und der Einrichtung einer brutalen Besatzungsherrschaft. Der bisherige polnische Staatsbürger Lattermann ließ nun die Maske fallen, trat der NSDAP sowie der SS bei und richtete auch die Zeitschrift der Gesellschaft entsprechend neu aus. Sie trug nun den Titel Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift im Wartheland und sollte wieder zur Regionalzeitschrift werden. Lattermann sprach in der knappen Einleitung der ersten Nummer von der
„Befreiung unserer Heimat durch den Führer nach über 20jähriger polnischer Herrschaft in den schweren Septembertagen 1939 […]. Wie die eine Vorgängerzeitschrift, die ‚Zeitschrift der historischen Gesellschaft für die Provinz Posen‘, vor dem Weltkriege ein Provinzorgan war, so wird nunmehr die Fortsetzung das wissenschaftliche Organ für den neuen Warthegau innerhalb des Großdeutschen Reiches, dessen Grenzen ja nicht mit denen der früheren Prov. Posen übereinstimmen.“ (DWZW 1 (1940), S. XI)
Während man in Posen nun mit aller Kraft an der „Germanisierung des Ostens“ durch „Umvolkung“ arbeitete, entzog sich in Berlin Warschauers Witwe Bertha (1865–1942), die viele Jahre als stille Korrektorin der Zeitschriften tätig gewesen war, ihrer Deportation nach Theresienstadt durch Suizid.
Die letzte Nummer der Zeitschrift erschien 1943; ihr langjähriger Redakteur und Herausgeber Lattermann starb schließlich 1945 als Offizier bei den Kämpfen um Berlin.
Warum sind die Inhalte der alten Zeitschriften, die neben (populär)wissenschaftlichen Zielen bisweilen auch propagandistische Intentionen verfolgten, heute dennoch beachtenswert? Zum einen orientieren sie sich zumindest bis 1918 an den von den Posener Archivaren zusammengetragenen Archivalien zur Stadt- und Landesgeschichte, werten also Quellen aus, die heute – sofern sie nicht verlorengegangen oder vernichtet sind – nur noch von sehr wenigen spezialisierten Forscherinnen und Forschern benutzt werden, da die notwendigen Lese- und Sprachfähigkeiten kaum noch vorhanden sind. Zum anderen geben die Beiträge, trotz ihrer „Deutschtümelei“, auch Auskunft über die religiöse, sprachliche, wirtschaftliche und politische Diversität einer Region im deutsch-polnischen Kontaktbereich, die heute vielfach in Vergessenheit geraten ist. Wer sich einmal an historisch-biografischen Darstellungen versucht hat, weiß zudem, wie schwierig es oft schon ist, allein Geburtsjahr und -ort der Akteure exakt zu bestimmen. Hierzu liefern die Zeitschriften wertvolle Informationen, auch zu Leben und Wirken von überregional bekannten Theologen, Lehrern, Schriftstellern, Politikern etc.
Heute sind fast alle Ausgaben über die polnischen digitalen Bibliotheken [Biblioteki Cyfrowe] zugänglich und als PDF- oder DJVU-Dateien herunterladbar, insbesondere auf den Portalen der Wielkopolska Biblioteka Cyfrowa (https://www.wbc.poznan.pl/dlibra), der Zielonogórska Biblioteka Cyfrowa (https://zbc.uz.zgora.pl/dlibra) und der Elbląska Biblioteka Cyfrowa (https://dlibra.bibliotekaelblaska.pl/dlibra). Es fehlte bisher jedoch ein durchsuchbares Gesamtinhaltsverzeichnis.
Ein solches legen wir nun als PDF-Tabelle vor. Verzichtet haben wir auf die Verzeichnung der zahlreichen Rezensionen, Buchankündigungen und Vereinsnachrichten. Die meistens nur mit dem Anfangsbuchstaben angegebenen Vornamen der Autoren und der wenigen Autorinnen haben wir, soweit ermittelbar, ergänzt. Verlinkt wurde jeweils, sofern ein Digitalisat gefunden werden konnte, direkt auf die Bände bzw. Hefte der Zeitschriften. Die Seitenzahlen bezeichnen den Beginn der zum Teil mehrteiligen Beiträge. Korrektur- und Ergänzungsvorschläge nehmen wir gern entgegen (christoph.schutte@herder-institut.de.)
Das fast vollständig erhaltene Archiv der Historischen Gesellschaft befindet sich weiterhin in Posen und ist in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek der Adam-Mickiewicz-Universität einsehbar (https://lib.amu.edu.pl/pracownia-rekopisow/). In der Bibliothek des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung in Marburg sind fast sämtliche Originalausgaben der Zeitschriften bestellbar.
Wir danken Herrn Julian Fischer für die Durchsicht aller Zeitschriften sowie die erste Erfassung der Beiträge und hoffen, mit dem Inhaltsverzeichnis zu neuen regionalgeschichtlichen Forschungen anzuregen – jenseits aller nationalistischen Ausrichtungen und Interpretationen.
Berlin und Marburg, im Januar 2025
Aktuell
Gesamtinhaltsverzeichnis
zu den Zeitschriften der Historischen Gesellschaft für Posen veröffentlicht
Neuerscheinungen
Sammelbände zur Geschichte Krakaus und zur Kultur Krakaus
Anthologien zur multikulturellen Literaturgeschichte von Lodz
Monographie zur Stadtgeschichte von Lodz
Open-Access
zum Handbuch Polen in der europäischen Geschichte, Bd. 2: Frühe Neuzeit und Bd. 3: Teilungszeit
17. – 20. Oktober 2024
Jahrestagung in Krakau zum Thema: Deutsche Besatzung in Polen 1939–1945. Forschungsstand und -desiderate
Tagungsbericht
18. Oktober 2024
Verleihung des Arthur-Kronthal-Preises 2024 an Daniel Benedikt Stienen für sein Buch Verkauftes Vaterland
Neueste Publikation
Neuer Staat, neue Identität?
Deutsch-polnisch-jüdische Biografien in Polen nach 1918

Polono-Germanica 12
347 S., 5 Abb.
ISBN 978-3-944870-74-8
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